Warmduscher oder wie mache ich warmes Wasser aus (Solar-)Strom

Nach langer Pause erscheint aus aktuellem Anlass ein neuer „off topic“ Blogeintrag.

Durch die aktuelle Gas- und Rohstoff-Krise kann es im kommenden Winter 2022/2023 insbesondere für Nutzer einer Gasheizung ggf. schwierig werden, warmes Brauchwasser zu erzeugen. Da wir in dieser Situation sind und wir, das sind Sabine, unsere beiden Töchter Lea und Eva und auch ich keine Lust haben, uns morgens mit kaltem Wasser zu waschen bzw. kalt zu duschen, muss rechtzeitig vor dem Winter eine Lösung her. Und die kommt in Form eines elektrisch betriebenen Heizstabes (vgl. Tauschsieder), der in den Brauchwasser-Speicher der Gastherme eingebaut und mit überschüssigem Solarstrom, also Solarstrom, der mit der eigenen PV-Anlage erzeugt und nicht aktuell verbraucht werden kann, gespeist wird. Da ich ja, als wir noch auf unserem Schiff gelebt haben, einige „do it yourself“ Anleitungen mit viel positivem feedback gepostet habe, habe ich mich entschlossen, auch dieses DIY Projekt vorzustellen, um meine Erfahrungen zu teilen.
Zuerst: es gibt auch fertige Lösungen zu kaufen. Diese bestehen im Wesentlichen aus einem Heizstab, einem Leistungsregler dafür und einer Steuerung, die misst, ob überschüssiger Solarstrom der eigenen PV Anlage bereitsteht, d.h. ins Netz eingespeist wird. Falls gerade überschüssiger Solarstrom ins öffentliche Netz eingespeist wird, regelt die Steuerung den Heizstab genau so weit hoch, dass der Eigenverbrauch maximiert und damit die Einspeisung minimiert wird und so der überschüssiger Solarstrom in Form von Wärme im Brauchwassertank gespeichert wird. Damit kann der Gasverbrauch zur Warmwasser-Erzeugung minimiert bzw. ganz durch (Solar-) Strom ersetzt werden.
Das hat also zusätzlich den Vorteil einer rein elektrischen Backup Lösung. Sofern denn Elektrizität bei einer Gas-Mangellage überhaupt noch zu Verfügung steht.
Fertige Lösungen als Set zum Selbsteinbau (Stichwörter zum googeln sind z.B. „my-PV AC ELWA-E“, „SmartFox“) schlagen mit ca. 800 bis 2000 € zu Buche, sofern sie denn lieferbar sind. Zum Zeitpunkt des Verfassens des Artikels betragen Lieferzeiten, wenn sie denn im Online Handel überhaupt noch angegeben werden ca. 300 Tage :-). Das war dann auch der Ausschlag, eine DIY Lösung zu entwickeln, die im Folgenden vorgestellt wird.

Warmwasserspeicher
Zuerst muss überprüft werden, ob der vorhandene Warmwasserspeicher einen Heizstab aufnehmen kann. Dazu ist darin meist bereits eine Aufnahme in Form einer Muffe mit 1.5 Zoll Innengewindes integriert (Vorsicht, 1.5 Zoll entspricht bei Gewinden für Rohre einem Kernloch von 45 mm). Es gibt auch (sehr günstige) Heizstäbe mit 1 Zoll Gewinde, die jedoch zu geringe Heizleistungen haben und als Zusatzheizer für Heizkörper im Badezimmer gedacht sind, um diese schneller aufzuheizen (Heizpatrone). Ob diese außerdem Trinkwasser-kompatibel sind, ist fragwürdig.

1.5 Zoll Außengewinde Heizstab

Da unser Warmwasserspeicher keine vorgesehene Aufnahme hat, wurde ein vorhandener Inspektions-Flansch (der sollte immer verfügbar sein) durch Aufschweißen einer Gewindemuffe modifiziert. Es gibt auch fertige Flansche mit entsprechendem Gewinde zu kaufen.

Schematischer Aufbau unseres Warmwasser-Speichers mit Inspektions-Flansch unten links. Auf dieser Höhe hat die Wärmetauscher-Heizspirale auch eine weniger enge Windung. Dort muss der Heizstab reinpassen.
Inspektions-Flansch
modifizierter Inspektions-Flansch mit 1.5 Zoll aufgeschweißter Gewindemuffe

Die Gewindemuffe wurde nicht mittig aufgesetzt, da der verwendete 3 kW Heizstab mit seiner Eintauchtiefe von 370 mm sonst an die Heizspirale des Wärmetauschers (siehe schematischer Aufbau im Bild oben) angestoßen wäre.

Heizstab
Wir haben uns für einen 3 kW Heizstab mit Thermostat (bis 85°C) entschieden, da bei unserer 5 kWp PV Anlage fast immer 3 kW Überschussleistung bei voller Sonneneinstrahlung zur Verfügung stehen und außerdem ein 3 KW Heizstab noch einphasig ist. Heizstäbe > 3 kW brauchen dann mehrere Phasen (Drehstrom-Anschluss), was die Ansteuerung etwas aufwändiger und teurer macht.
Wichtig ist, dass der Heizstab einen eingebauten Thermostaten hat, damit ein (unbeabsichtigter) Dauerbetrieb das Wasser nicht überhitzt. Unserer lässt sich durch einen simplen Drehregler von 30 bis 85°C einstellen. Wenn die Gastherme bei z.B. 40°C abgeregelt wird, wird quasi das Wasser ausschließlich mit Überschuss-Strom der PV Anlage erhitzt. Auch eine Legionellen-Gefahr besteht so nicht, da ja das Wasser regelmäßigt durch den Heizstab auf über 55°C erhitzt wird.
Wir erwarten aufgrund unserer jetzigen Beobachtungen nach ca. 2 Wochen Betrieb, dass im Sommer die Gasheizung komplett ausgeschaltet bleiben kann und das Brauchwasser ausschließlich über den Überschuss der PV Anlage erhitzt werden kann.

eingebauter Heizstab mit Thermostat
Gasheizung (links oben) und Warmwasserspeicher mit Heizstab

Regelung
Die Leistungsregelung des Heizstabes wurde günstig durch eine Phasenanschnitt-Regelung von KEMO realisiert. Diese muss laut Datenblatt entstört werden. Der Regler wird durch ein Zusatzmodul angesteuert, das als Eingang eine Steuer-Spannung oder PWM Pulse akzeptiert.

Innenleben Phasenanschnitt-Regler Heizstab mit Entstörfilter
Regler in irgendeinem altem Gehäuse vom Elektroschrott mit online Ansteuerung durch PWM (über einen ESP8266, dazu unten mehr)

Steuerung
Um den Regler anzusteuern, muss eine Logik erfassen, wann ein Überschuss an PV-Leistung vorliegt. Das ist bei einem entsprechenden Einspeisevertrag mit dem Energieversorger immer dann der Fall, wenn überschüssiger Solarstrom ins öffentliche Netz eingespeist wird. Eine Möglichkeit, dies zu messen, sind Stromklemmen an allen 3 Phasen der Versorgungsleitung am Stromzähler. Das sind Hall-Sensoren, die ohne die drei Phasen-Leitungen unterbrechen zu müssen, auf die Leitungen aufgeclipst werden und je nach Stromrichtung und -Stärke in entsprechendes Spannungssignal liefern. Die gängigsten kommerziellen Systeme werden so mit dem notwendigen Signal gespeist.
Da allerdings durch den bei uns installierten Zweiwegezähler (den eigentlich jeder mit einer PV-Anlage sowieso im Sicherungskasten hat) eine Messung der aus- und eingehenden Energiemenge in Echtzeit erfolgt, macht es Sinn, diese Information auszulesen und direkt zu verwenden.

Smartmeter-Reader
Um den Zweiwegezähler online auslesen zu können, muss beim Netzbetreiber eine PIN (kostenlos) erfragt werden. Das passierte bei uns unkompliziert per Mail und war quasi sofort erledigt. Um die PIN einzugeben muss (kein Witz!) mit einer Taschenlampe die PIN in den optischen Sensor des Zweiwegezählers eingeleuchtet werden. Anleitungen dazu gibt’s im Netz zuhauf, so dass ich hier auf eine Wiederholung verzichte. Um die optische Schnittstelle auslesen zu können, kann eine fertige Lösung gekauft werden („smartmeter-reader USB“) oder selbst eine gebastelt werden (Volkszähler).
Wir haben uns die Platine (RS232) für ca. 10 € fertig aufgebaut gekauft und sie dann mit Ringmagnet (damit wird der Zählkopf an der Metallplatte des Zweiwegezählers aufgesetzt) in ein 3D gedrucktes Gehäuse eingesetzt. Ein gutes Tutorial findet sich z.B. hier.

Smartmeter Reader (unter der Platine ist ein Ringmagnet zur Befestigung an der Metallplatte des Zweiwegezählers sowie IR-LED und IR-Phototransistor)
Zweiwegezähler mit optischer Schnittstelle (die 2 Löcher für IR-LED und IR-Phototransistor in der runden Metallplatte rechts)
Zweiwegezähler mit Smartmeter Reader

Der Zähler wird seriell direkt über die GPIO pins an einen Raspberry Pi angeschlossen (ein gutes Tutorial findet sich z.B. hier), der auch als Server für das Homeautomation System dient. Wir verwenden das kostenlose iobroker. Dazu unten mehr.

optional: Reader für Gas-Zähler
Damit der Gasverbrauch online auch überwacht werden kann (macht m.E. zwingend Sinn, da sonst ein direkter Vergleich mit/ohne Heizstab nur sehr aufwändig möglich ist) braucht es für unseren analogen Drehzählwerk-Zähler ein Zusatzmodul. Auch hier kann auf eine fertige Lösung zurückgegriffen werden, wir bauen jedoch lieber wieder einen eigenen aus einem ESP8266 Modul und einem Reed-Kontakt („Reed Modul Arduino“). Der Gaszähler hat in seiner letzten Stelle des analogen Drehzählwerks einen Magneten verbaut und bei jeder Umdrehung, die 0.01 m^3 Gasfluss entspricht, gibt er einen Signalpuls, der mit dem Reed-Kontakt erfasst, addiert und mit dem ESP8266 Modul online gestellt wird. Der so realisierte Sensor kostet keine 10 € und damit ca. 1/3 einer fertigen Lösung. Außerdem ist er durch die WIFI Schnittstelle des ESP automatisch gleich online.

Gaszähler (Drehzählwerk) mit Reed-Kontakt im 3D gedruckten Gehäuse und ESP8266 am alten Handy-Netzteil als Spannungsversorgung. Der Gaszähler hat eine Aussparung unter dem Zählwerk, in das der Reed-Kontakt eingesetzt werden kann. Heißkleber oder Klebeband tun es auch, falls kein 3D Drucker zur Verfügung steht.


Der ESP8266 wird mit einem alten Handy-Ladegerät mit Spannung versorgt und mit der kostenlosen TASMOTA Firmware geflasht. Das ist sehr einfach und auch hierbei bietet das Netz ausreichend Hilfe. Ein Sensor-Eingang des ESP wird als Zähler deklariert und schon zählt der ESP jeden Impuls vom Gaszähler. Ein gutes Tutorial findet sich z.B. hier.

TASMOTA Frontend auf dem ESP8266, aufrufbar über seine IP Adresse im Browser.

Homeautomation System
Wir verwenden iobroker, das auf einem alten Raspberry Pi 3 läuft, den ich noch rumliegen hatte.

Auf dem Sicherungskasten, also in der Nähe des Smartmeters: Raspberry Pi = Server für iobroker
(Homeautomation System) und links Fritzbox Repeater für besseres WLAN Signal im Keller.

Das System ist sehr schnell aufgesetzt und iobroker ist leicht und schnell eingerichtet. Anleitungen finden sich im Netz zuhauf. Die wichtigsten Module für die gewünschte Funktionalität sind:

Notwendige iobroker Module: History (Datenbank für Messwerte), MQTT (Kommunikation mit TASMOTA), smartmeter (Auslesen smartmeter), Skriptausführung (Möglichkeit eigene Skripte zu erstellen).

Um in iobroker den ESP8266 für die Ansteuerung des Heizstabes ansprechen zu können, wird im TASMOTA Konfigurationsmenü ein GPIO Pin als PWM Ausgang konfiguriert und im MQTT Menü die Verbindungseinstellungen zu iobroker.

Konfiguration eines GPIO Pins im TASMOTA Konfigurationsmenü als PWM Ausgang

Die Steuerung wird über ein einfaches Skript (kann ohne Programmierkenntnisse im Lego-artigen Blockly zusammengebaut werden) online gebracht, das im Wesentlichen folgendes macht:

  • Abfrage Momentan-Verbrauch
  • falls positiv (= Verbrauch) schalte Heizstab aus
  • falls negativ (= Einspeisung), schaue, wie hoch der Wert ist und rechne in Prozent relativ zu 3 kW um
  • steuere den Heizstab mit berechnetem Wert an
  • fange wieder von vorne an
Blockly Skript: Steuerung Heizstab
Blockly Skript: Auslesen Gaszähler

Dazu kann man sich noch eine hübsche Visualisierung zusammenbasteln, die dann über eine entsprechende IP Adresse im Browser aufgerufen wird. Auf meinem Handtelefon sieht das dann momentan so aus:

Visualisierung von momentanem Eigenverbrauch „power“ sowie grafischer Verlauf der letzten 24 h von Strom- und Gasverbrauch. Negative Energiewerte entsprechen dabei Einspeise-Phasen.

Man sieht im netto Stromverlauf der Visualisierung (oberes Diagramm), dass ab ca. 10 Uhr eingespeist bzw. Wasser mit dem Heizstab erhitzt wurde bis der Thermostat den Heizstab wieder abgeschaltet hat (Wasser über 85°C). Das ging dann am entsprechenden Tag bis ca. 15:30 Uhr so weiter (mit einer offensichtlichen Sonnenpause von ca. 11:30 bis 14 Uhr). Ab dann wurde kein (oder nur wenig) warmes Wasser mehr entnommen. Gleichzeitig stieg der Gasverbrauch, der per Skript jede Nacht um Mitternacht auf Null gesetzt wird, ab ca. 10 Uhr den ganzen Tag nicht mehr an und es wurde an diesem Tag (Wochenende) offensichtlich nur morgens Gas für Warmwasser fürs Duschen benötigt (unteres Diagramm).
Die Setpoint Temperatur der Gastherme kann nun entsprechend der jeweiligen Situation (Leistung PV-Anlage / Eigenverbrauch, Wasserverbrauch, etc.) angepasst werden, um die Warmwasser-Erzeugung mehr oder weniger ausschließlich durch den Heizstab zu bewerkstelligen. Wird ein sehr niedriger Temperaturwert (z.B. 30°C) für den Thermostaten der Gastherme gewählt, springt die Gasheizung erst sehr spät an (wenn das Wasser stark abgekühlt ist). In unserem Fall (Warmwasserspeicher 140 Liter), ist selbst über Nacht am nächsten Tag noch genügend warmes Wasser zur Verfügung, um ausschließlich mit Warmwasser, das mit dem Heizstab erhitzt wurde, ausgiebig zu duschen. Der Verlauf in der Visualisierung oben ist jedoch mit 60°C Setpoint des Thermostaten der Gasheizung entstanden. Inzwischen haben wir ihn auf 40°C heruntergesetzt und tun das ggf. auch noch weiter. Je nach Außentemperatur versuchen wir uns über den Winter langsam den praktikabelsten Einstellungen zu nähern.

alternative Steuerung über eine Funksteckdose
Die Steuerung des Heizstabes kann auch „quick and dirty“ über eine Funksteckdose erfolgen, die durch iobroker oder ein anderes System angesteuert wird, z.B. eine Alexa Routine. Der Heizstab wird dann angeschaltet, sobald eine gewisse Energiemenge eingespeist wird (im Skript unten beträgt der threshold -3 kW) und wieder ausgeschaltet, sobald die Einspeisung auf Null oder positive Werte zurückgeht, also Strom aus dem Netz bezogen wird. Trotz der Einfachheit ist diese grobe Regelung an sonnigen Tagen überraschend effektiv, hat jedoch an stark bewölkten Tagen, wenn die eingespeiste Energiemenge selten oder nie den Grenzwert erreicht einen offensichtlichen Nachteil: es wird nicht ausreichend Wasser erwärmt.
Dazu hier ein Blockly Skript für eine Ikea Tradfri Steckdose:

Blockly Skript: Ansteuerung des Heizstabs über eine Tradfri Steckdose

Fazit

Mit relativ überschaubarem Aufwand kann eine bestehende Heizungsanlage mit Warmwasserspeicher (hier Gastherme) durch einen Heizstab aufgerüstet werden, um mit Strom die Warmwasserversorgung eines Hauses im Notfall aufrecht zu erhalten bzw. bei Verwendung von PV-Strom kostengünstig und klimaneutral zu bewerkstelligen.

Jede kWh, die durch die eigene PV Anlage nicht selbst verbraucht, sondern eingespeist wird, wird, natürlich abhängig von der individuellen Einspeisevergütung, mehr oder weniger verlustreich verkauft, wenn mit sehr viel teurerer fossiler Energie (bei uns mindestens Faktor 3), die aufgrund einer akuten Mangellage außerdem sehr wahrscheinlich nicht durchgehend im kommenden Winter zur Verfügung stehen wird, Wasser erhitzt werden muss.
Geschieht das aber mit der selbst erzeugten Überschuss-Energie, kann mit jeder kWh erhöhtem Eigenverbrauch der Einkauf teurer fossiler Energie umgangen werden, indem die Überschuss-Energie in Form von heißem Wasser gespeichert wird.

So können mit mäßigem Aufwand, einer Investition von unter 400 € und ohne teuren Batterie-Speicher die Autarkie erhöht und die Energie-Kosten nebst CO2 Emission gesenkt werden.